Unternehmen stehen heute mehr denn je unter Druck, hyperpersonalisierte Erlebnisse zu schaffen, die wirklich bei allen Kund:innen ankommen. Generative KI treibt diese Entwicklung voran – und eröffnet dem Handel völlig neue Möglichkeiten in Sachen Kreativität und Kundenverständnis.
Unsere Redakteurin hat sich mit Sylvain Ramousse, Brevos VP of Product und Kopf hinter den Brevo AI Labs, unterhalten. Mit über 20 Jahren Erfahrung im digitalen Bereich hat er uns einige Goldstücke mit auf den Weg gegeben, wenn es um den Einsatz von generativer KI im Marketing geht.
Experteninterview über KI im Retail
F: Was genau bedeutet generative KI?
Sylvain: Generative KI – oder GenAI – ist künstliche Intelligenz, die eigenständig neue Inhalte wie Texte, Bilder, Audios oder Videos erschaffen kann. Anders als klassische KI, die vor allem analysiert und Prognosen trifft, ist GenAI wie ein kreativer Teamplayer, der ständig frische Ideen liefert.
Sie eröffnet Unternehmen neue Möglichkeiten, Inhalte effizient, individuell und in hoher Qualität zu produzieren.
F: Welche Missverständnisse über GenAI sollten Unternehmen kennen, bevor sie investieren?
Sylvain: Man sollte sich bewusst sein, dass GenAI kein Zauberstab, sondern eher eine Art neuer Kollege ist, der klare Regeln, Prozesse und Sicherheitsvorkehrungen braucht. Nur weil etwas echt und überzeugend aussieht, muss es nicht unbedingt korrekt sein. Generative KI kann beeindruckende Texte formulieren, die authentisch klingen, aber das garantiert keine Genauigkeit.
"Die Implementierung kann relativ schnell erfolgen, insbesondere wenn man auf bestehende Plattformen zurückgreift. Aber: Damit sie im Alltag wirklich funktioniert, braucht es deutlich mehr als nur einen Login. Erst durch gezieltes Fine-Tuning, klares Kontextverständnis und die richtigen Tools liefert GenAI verlässlich hochwertige Ergebnisse. Genau da setzen wir bei Brevo an – mit praxisnaher Erfahrung und einem klaren Fokus auf Qualität."
F: Kaufen oder selbst entwickeln: Welchen Rat gibst du unseren Leser:innen?
Sylvain: Das ist situationsabhängig. Je nach Sensibilität der Daten und Art des Geschäfts kann die Entwicklung einer eigenen Lösung vorteilhaft sein – sie bietet mehr Kontrolle, ist aber oft zeit- und ressourcenintensiv.
Umgekehrt geht eine Kaufstrategie meist schneller, birgt jedoch Risiken wie Modellverzerrungen oder Datenlecks. Wir bei Brevo legen großen Wert auf Datenschutz und wählen die jeweils effizienteste Strategie.
F: Was sind die größten Herausforderungen für Unternehmen bei der Implementierung von GenAI – und wie lassen sie sich lösen?
Sylvain: Die Entscheidung zwischen „Build oder Buy“ bleibt komplex, insbesondere angesichts der sich rasant verändernden Marktlandschaft.
Täglich erscheinen neue, schnellere, relevantere – und oft günstigere – Modelle. Deshalb ist es essenziell, zuerst eine stabile Grundlage zu schaffen, indem man sich auf konkrete Anwendungsfälle fokussiert – statt KI einfach nur einzusetzen, um "smart" zu wirken.
F: Welche Anwendungsfälle siehst du insbesondere im Einzelhandel?
Sylvain: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten im Retail. Besonders spannend sind personalisierte Empfehlungen, bei denen KI-Systeme auf Basis individueller Vorlieben maßgeschneiderte Produktempfehlungen ausspielen.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die dynamische Preisgestaltung: Hier können Preise in Echtzeit an die aktuelle Nachfrage oder das Verhalten der Kund:innen angepasst werden.
Darüber hinaus ermöglicht KI auch die automatisierte Content-Erstellung – etwa für lokal zugeschnittene Anzeigen, personalisierte E-Mail-Kampagnen oder die effiziente Generierung von Produktbeschreibungen.
All diese Ansätze tragen dazu bei, das Einkaufserlebnis individueller und effizienter zu gestalten.
Ob dynamische Produktempfehlungen, die Erstellung von Inhalten oder optimierte Versandzeitpunkte – Brevos KI-Assistent Aura hilft dir dabei, deine Marketing-, Vertriebs- und Serviceprozesse intelligenter und personalisierter zu machen. Erfahre hier mehr über Brevos KI-Lösungen.
F: Das klingt vielversprechend. Es gibt jedoch Bedenken, dass KI Arbeitsplätze gefährdet. Was sagst du dazu?
Sylvain: Für mich ist KI eindeutig ein Enabler für den Menschen. Immer häufiger hört man: KI wird nicht den Menschen ersetzen – aber Menschen, die KI nutzen, werden jene überholen, die es nicht tun. Und genau das trifft zu. Der Unterschied zwischen einem Web-Engineer mit KI-Know-how und einem ohne ist inzwischen gewaltig.
Im Einzelhandel ist KI ein strategischer Sparringspartner für Fachleute – etwa beim Demand Forecasting oder der Trendanalyse. Sie übernimmt zeitaufwändige Routinen, damit sich Menschen auf kreative Strategien, Kundenbindung und Markenführung konzentrieren können.
Die besten Ergebnisse entstehen dort, wo KI-Insights und menschliche Intuition ineinandergreifen.
F: Wie geht Generative AI mit Daten anders um als klassische KI – und was bedeutet das für Unternehmen?
Sylvain: Die Datenstruktur ist nach wie vor entscheidend. Was Generative AI besonders macht, ist die Fähigkeit, unterschiedliche Kontexte und Datenquellen schnell zusammenzuführen. Die Logik kann effizient geteilt werden – indem du einfach dein Datenmodell erklärst, ist ein großes Sprachmodell (LLM) in der Lage, Zusammenhänge eigenständig herzustellen.
Generative AI kann z. B. unstrukturiertes Kundenfeedback analysieren, neue Datenquellen schnell adaptieren oder durch Verbindung unerwarteter Signale bessere Entscheidungen ermöglichen.
Aber: Sie ist nicht immer das richtige Werkzeug. Für standardisierte Aufgaben wie Bestandsplanung oder Produktsortierung sind klassische Machine-Learning-Modelle oft robuster und zielgerichteter – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.
F: Wie kann generative KI genutzt werden, um personalisierte Erlebnisse zu schaffen?
Sylvain: Je mehr Kontext du einer KI gibst, desto passender werden die Ergebnisse – ob streng regelbasiert oder bewusst offen für kreative Lösungen. GenAI erweitert dabei nicht nur Ideen, sondern schafft Erlebnisse, die weit über klassische Empfehlungen hinausgehen. Stichwort: Hypersonalisierung im Einzelhandel.
Stell dir Produktvorschläge vor, die sich nicht nur an Kaufverhalten orientieren, sondern auch an Standort, Stimmung, Saisonalität und digitalem Verhalten – automatisch generiert und individuell abgestimmt.
Wenn du deinen Kund:innen das Gefühl gibst, dass du sie kennst und ihre Bedürfnisse verstehst, erhöhst du nicht nur die Conversion, sondern auch das Vertrauen in deine Marke.
Kennst du schon Brevos KI-gestützte Segmentierung? Damit lassen sich Zielgruppen einfach per Texteingabe definieren und du erreichst genau die richtigen Kund:innen zum richtigen Zeitpunkt. Mehr erfahren.
F: Welche Rolle spielt GenAI beim Verstehen von Kundenverhalten – und wie können Händler:innen das nutzen?
Sylvain: Im Gegensatz zu klassischen Modellen braucht generative KI keine starren Datenformate – sie versteht Kontexte, verbindet Datenpunkte und erkennt Muster, die sonst verborgen bleiben. So entstehen neue Einblicke in Kaufverhalten, saisonale Vorlieben oder stille Trends.
Ob veränderte Nachfrage vor Feiertagen oder neue Interessen bei bestimmten Zielgruppen – GenAI erkennt feinste Verschiebungen und liefert Ideen für Kampagnen, Sortimentsanpassung oder Content. Brevos Send-at-Best-Time-Feature nutzt genau solche Daten, um Mails dann zu versenden, wenn Kund:innen am empfänglichsten sind.
F: Wie könnte GenAI das klassische Handelsmodell künftig verändern?
Sylvain: Die Zukunft des Einzelhandels ist nicht mehr produkt-, sondern erfahrungsgetrieben. Hyperpersonalisierung wird zum Zünglein an der Waage. GenAI wird zum persönlichen Assistenten – vom passenden Produkt bis hin zu individuell generierten Bildern, Texten oder Videos, abgestimmt auf den jeweiligen Kontext.
Marken wie Stitch Fix kuratieren komplette Outfits mit Hilfe von KI, während virtuelle Try-ons wie L’Oréal’s Modiface Shopping erlebbar machen.
Zukunftsfähig ist, wer KI sinnvoll mit menschlicher Intuition kombiniert – flexibel, verantwortungsvoll und immer kundenzentriert.
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Fazit
Dank GenAI können Einzelhändler:innen hyperpersonalisierte Erlebnisse schaffen, tiefere Einblicke in das Kundenverhalten gewinnen und interne Abläufe deutlich effizienter gestalten. Damit das gelingt, braucht es aber mehr als nur ein gutes Tool – nämlich eine durchdachte Strategie, die richtige Kombination aus KI-Technologie und menschlichem Know-how.
Denn auch wenn GenAI viel kann, ist es nicht immer die beste Wahl – gerade bei Aufgaben wie Lagerbeständen oder Prognosen kann klassisches Machine Learning oft zielgerichteter sein. Ein flexibler Mix aus beiden Ansätzen sorgt dafür, dass du auf alles vorbereitet bist.
Mit dem richtigen Setup wird Hyperpersonalisierung nicht zur Spielerei, sondern zum echten Wettbewerbsvorteil. Die Zukunft im Handel ist kundenzentriert, smart und individuell – und GenAI ist der Schlüssel dazu.